Die Hauptfigur des Romans, G., ist als Opfer einer Flugzeug-katastrophe ohne Gedächtnis an seine eigene oder eine kollektive Vergangenheit in einem Land aufgewacht, das nicht nur an der Oberfläche fremd erscheint, sondern auch in der Verfasstheit seiner inneren Strukturen und Gesetzmäßigkeiten.
Den Abgestürzten gelingt es mühsam, sich aus den Trümmern der Maschine zu befreien und sich auf den Weg fort von der Absturzstelle zu machen, um irgendwo in der Wildnis nach Hilfe zu suchen oder zumindest auf Spuren von Zivilisation zu treffen – was sie auffinden, sind jedoch lediglich Ruinen, ist nicht mehr als eine aufgegebene Stadt an den Ufern eines ausgetrockneten Flussbettes, die unbewohnt und in ihrem Grundriss schiffsförmig wie ein auf die Bänke aufgelaufener Kahn im Schwemmsand liegt.
Die Besiedelung dieser Stadtruine ist den Regeln der Gleichheit und Gerechtigkeit wegen unter das selbstgewählte Diktat eines Würfelspiels gestellt. Für G., den per Loswurf ermittelten Chronisten der „gestrandeten Stadt", wird dieses Spiel schlussendlich zum Rand, zur Fallkante seiner entwerteten Existenz: Vom Erfinder ihres „Gesellschaftsspieles" wird er am Ende zu dessen bloßer Spielfigur, zum von fremden Kräften in immer größere Abhängigkeiten Getriebenen:
G. fällt ein zweites Mal – damit setzt die eröffnende Rahmenhandlung des Romans ein – und erwacht mit zerschlagenen Gliedern, in Seilen und medizinischem Spagat fixiert wie eine Marionette an den Fäden eines fremden Willens im Dunkel einer endlosen Nacht.
Nur begleitet von einer Prostituierten und unfähig, weiterhin selbst zu handeln oder sich zu bewegen, rekonstruiert sie ihm für Geld noch einmal seine verloren gegangene Vergangenheit. Erzählt ihm – ähnlich der Scheherazade der orientalischen Märchen – die Geschichte seines Daseins, ohne zu beachten, dass er auch im neuerlichen Erleben, im Nachleben ihrer Worte unweigerlich wieder, im Kreisschluss, in jene Seile verstrickt enden muss, die ihn bereits jetzt gleichermaßen einschnüren wie sie ihn stützen.
430 Seiten, gebunden
Bibliothek der Provinz, 1. Auflage Mai 2006